Vision und Machbarkeit

Eine von zwei Reaktionen auf das Interview mit Prof. Dr. Josef Spindelböck

In der Juni-Ausgabe des Neologismus und auch hier im Blog wurde mein Interwiew mit Prof. Dr. Josef Spindelböck zum Thema Ehe und Familie im katholischen Weltbild mit Blick auf die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Irland und den USA veröffentlicht. Florian Kranhold, seines Zeichens Chefredakteur des Neologismus, wollte die Aussagen von Dr. Spindelböck jedoch nicht unkommentiert lassen und hat auch mich dazu aufgerufen, meine Ansichten zu dem Thema darzulegen. Die beiden Kommentare sind ebenfalls im Neologismus vom Juni veröffentlicht. Meine nun auch hier veröffentlichte Reaktion nimmt Bezug auf Florians Kommentar, der im Neologismus direkt hinter dem Interview zu finden ist.

In gewisser Weise hat Florian Recht, wenn von einem säkularisierten Staat die Trennung von kirchlicher Meinung und politischem Handeln fordert. Inwiefern er das unter Umständen nicht hat, und Kirche eben nicht nur ein eine völlig vom Staat losgelöste und unabhängige Institution ist, sondern zum Beispiel über ihre Aufgaben als Sozialträger oder durch Staatskirchenverträge im Positiven oder Negativen eine weit wichtigere Rolle in unserer Gesellschaft und damit auch unserer Politik spielt, ist ein eigenes Thema, das einer eigenen, und nochmal grundsätzlicheren Debatte bedarf.

Aber denken wir das unter Annahme einer strikten Trennung von Staat und Kirche mal durch. Dann wäre folgerichtig sehr viel an Arbeit zu tun: Man sollte die Ehe im staatlichen Sinne komplett abschaffen. Wer heiraten und in den heiligen Bund der Ehe eingehen will, muss dann zu einer christlichen Konfession seiner Wahl gehen und dann auch die entsprechenden Voraussetzungen mitbringen. Der Staat hat damit dann nichts mehr zu tun.

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Im Flugzeug

Gestern bin ich zum ersten Mal ganz alleine geflogen. Natürlich ist mir klar, wie Fliegen funktioniert – schließlich habe ich das schon häufiger gemacht. Aber eben immer zusammen mit Familie oder Freunden. Diesmal musste ich alleine das Shuttle zum Keflavík International Airport nehmen, um das kalte Island in Richtung des heißen Deutschlands zu verlassen. Gestern Abend klang es noch wie eine sehr angenehme Sache, mal mehr als 13 bis 17 Grad Außentemperatur zu haben; jetzt jedoch sehe ich das ganze subtil anders...

Aber zurück zu gestern: Es war ein Nachtflug, so dachte ich zumindest, Start nach Mitternacht Ortszeit, Landung früh morgens in Deutschland. Die obligatorischen 2 Stunden vor Abflug am Flughafen habe ich dann mit dem Aufarbeiten der Ereignisse in Griechenland der letzten Tage (man verpasst im Urlaub ja echt einiges) und der Überlegung, ob die Corioliskraft das Flugzeug bei seinem Weg in das südöstlich gelegene Deutschland unterstützt (ja, eigentlich schon), verbracht.

Ein Nachtflug war es dann irgendwie nicht – mehr so ein Ritt auf der Morgenröte, 3 Stunden und 15 Minuten Sonnenaufgang. Mit einer Laugenstange um 4 Uhr deutscher Zeit; und zum Gebäck wurden Getränke serviert.

Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich offensichtlich mit einer Gruppe Senioren unterwegs war, die schon bei der Sicherheitskontrolle kein Englisch gesprochen haben, für den Metalldetektor ihre Hosenträger ausziehen mussten, volle Wasserflaschen im Handgepäck vergessen haben, aber alles in allem ohne Ironie eine echt nette Reisebegleitung waren. Und die (Achtung, relevant) sehr traditionsbewusst im Flugzeug alle Tomatensaft getrunken haben.

Das ist ein Brauch, den ich so zwar kenne, aber nie miterlebt habe und doch irgendwie immer recht obskur fand. Vor allem: Was ist das bitte? Dieses Wasser, was beim Tomatenschneiden immer raustropft? Will man das trinken? Und dann hat die sehr freundliche Stewardess immer gefragt: „Salz und Pfeffer dazu?“ Zu einem Saft?

Ich habe also beschlossen: Die Gelegenheit ist günstig, Du nimmst jetzt so einen Tomatensaft. Mit Pfeffer und Salz. Und einem Wasser, falls das ganz grausam wird. Und dann habe ich probiert. Man reichte mir also einen Plastikbecher gefüllt mit einer grellroten Flüssigkeit etwa von der Dickflüssigkeit von Bratensoße und einem Stäbchen zum Rühren drin, daneben ein kleines Päckchen mit Salz und Pfeffer, getrennt voneinander. Soso. Und wie trinkt man das jetzt? Beobachten der Nachbarn zeigt: Einfach so.

Und das Geschmackserlebnis ist… naja, ähnlich wie Tomatensoße. In kalt. Und etwas süßer. Wahrscheinlich auch etwas wässriger, ist ja schließlich Saft, nicht Soße. Und doch geschmacklich sehr ähnlich. Nach den ersten paar Schlücken die gesamte Menge Salz und Pfeffer einzurühren erwies sich als Fehler, es wurde doch sehr salzig.

Ich habe meinen Sitznachbarn gefragt, warum er sich Tomatensaft bestellt hätte. Das gehöre halt dazu, war die etwas ernüchternde Antwort. Wikipeida wusste (offline auf meinem Smartphone): Das scheint tatsächlich irgendwo die richtige Antwort zu sein. Nirgends ist Tomatensaft so beliebt wie in Flugzeugen. Ob das jetzt wirklich daran liegt, dass der niedrigere Kabinendruck das Geschmackserlebnis verändert, oder daran, dass der Tomatensaft den Appetit lindert, kann ich nicht bestätigen und werde ich auch nicht nachprüfen.

Ich weiß ziemlich sicher, dass ich auf dem Boden nie Tomatensaft trinken werde. Ob ich im Flugzeug nochmal zugreifen würde, weiß ich allerdings nicht. Vielleicht ist es ja ganz nett, ein kleines Ritual zum Fliegen zu haben. Wahrscheinlich bestelle ich mir beim nächsten Mal, wann immer das sein wird, aber doch wieder eine Cola.


Ebenfalls erschienen im Neologismus 15-06

„Die Kirche sagt immer Ja zum Menschen und seiner Würde“

Interview mit Prof. Dr. Josef Spindelböck

Im vergangenen Monat wurde im plakativ immer als „erzkatholisch“ bezeichneten Irland durch ein Referendum die Ehe unabhängig von Geschlecht in der Verfassung verankert. Als dieser Artikel eigentlich schon fertig war, hat in den Vereinigten Staaten das Supreme Court ebenfalls die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Natürlich wurde in diesem Zuge auch in Deutschland wieder über die Öffnung der Ehe diskutiert. Beim Schauen von Nachrichten ist mir allerdings aufgefallen, dass eine in der Frage durchaus wichtige Institution sehr wenig an der öffentlichen Debatte in den Medien beteiligt war: Die katholische Kirche. Einzig ein doch reichlich unspezifischer und vor allem wenig begründeter Kommentar zur „Niederlage für die Menschheit“ machte nach dem Referendum in Irland seine Runde durch einige Zeitungen. Auch bei anderen Themen, wie der Debatte um Social Freezing im Herbst letzten Jahres oder den gerade diskutierten Gesetzentwürfen zum Thema „Sterbehilfe“ war und ist die Kirche mit einer begründeten Meinung in den Medien leider kaum oder gar nicht vertreten.

Ziel dieses Artikels ist es, das zumindest in Ansätzen zu ändern.

Dr. Josef Spindelböck ist Professor für Moraltheologie und Dozent für Ethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten und Mitglied der Niederösterreichischen Ethikkommission.

Das folgende Interview mit ihm versucht, die oben genannten Themen zumindest anzureißen, denn natürlich ließe sich stundenlang über jeden der Teilaspekte diskutieren. In einem ersten Teil hat Herr Spindelböck die Hauptfragen per Mail erhalten und schriftlich eine begründete Antwort dargelegt. In einem zweiten Teil habe ich telefonisch ein paar Rückfragen, die sich aus seinen Antworten ergeben haben, stellen können.

Ich möchte Herrn Spindelböck auch an dieser Stelle für das Interview, die guten Antworten und das offene Gespräch danken. Letztendlich bleibt der ganze Themenkomplex einer, bei dem auf grundsätzlichen Einstellungen über logische Schlussfolgerungen Konsequenzen aufgebaut werden. Es ist meiner Meinung nach wichtig, diese drei Denkschritte für unterschiedliche Sichtweisen zu kennen, unabhängig davon, ob man ihnen vollends zustimmt.

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„Homo-Ehe“ und Wording

Über Wortfindungsprobleme der Berichterstattung

In Irland wird jetzt nach einem Referendum die Ehe unabhängig von Geschlecht eingeführt.

Über die moralischen und ethischen Aspekte der „Ehe für Alle“ lässt sich problemlos stundenlang diskutieren. Heute jedoch möchte ich mich auf die Frage beschränken, wie man den Vorgang korrekterweise nennt. In Vorbereitung für ein Interview, das hoffentlich in einer der nächsten Ausgaben erscheint, habe ich nämlich überlegt, was genau da in Irland eigentlich am 22. Mai passiert ist – wie der technische bzw. politische Sachverhalt aussieht. Und mir ist klar geworden, dass das nicht nur von Bedeutung für das Thema ist, sondern auch absolut unter den Tisch fällt.

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Die Aufgabe des Intellektuellen

Über Männer mit Pfeife & Meinung

„Günter Wilhelm Grass war ein deutscher Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Grafiker“. Wikipedia hält den doch bedeutenden Tod des „großen Deutschen“ sehr nüchtern fest. Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich ihn zu wenig kannte, fundierte Aussagen über ihn zu treffen, aber das haben zum Glück andere übernommen – mehr oder weniger radikal. Und wenn die meisten Nachrufe den Verlust eines großen Intellektuellen betrauern, ist doch einer besonders hängengeblieben, um näher betrachtet zu werden:

„Das Zeitalter des Intellektuellen ist endgültig vorbei“ von Alexander Grau in seiner Online-Kolumne bei der Zeitschrift Cicero. Die These: Wir brauchen keine alten Männer mit Pfeife, keine Mahner, Warner, Moralisten. Unsere Gesellschaft brauche Spezialisten; man werde die aussterbenden Intellektuellen, wie Grass einer war, nicht vermissen.

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