Guter Journalismus braucht Fußnoten

Ende letzten Jahres habe ich mehr oder weniger zufällig an einem Journalismus-Wettbewerb teilgenommen. Im Rahmen des Wettbewerbs musste ein Text zu einem vorgegebenen Thema verfasst werden, der, so er von der Jury zu einem der zehn besten gekürt wurde, auf der Website des Wettbewerbs veröffentlicht wurde.

So ist es dann mit meinem Artikel auch gekommen. Beim neuerlichen Lesen des Artikels musste ich jedoch überrascht feststellen, dass die Fußnoten aus dem Artikel entfernt wurden. Natürlich wäre mir das nicht aufgefallen, wenn das hinreichend konsequent geschehen wäre. Allerdings hat man ausschließlich die Zusatzinformation in der Fußzeile entfernt, nicht aber die kleine Ziffer als Referenz auf die Information.

Um es kurz zu machen: Der Artikel war natürlich auch ohne die Fußnoten verständlich. Ich habe auch noch nicht den Drang gehabt, nachzuschauen, was in den Fußnoten im Detail zu lesen war – wahrscheinlich ein simpler Verweis auf eine Online-Quelle, aus der ich ein paar Daten bezogen hatte. Dennoch hat mich dieser Vorfall zum Nachdenken gebracht.

Fußnoten überall

Gerade in wissenschaftlichen Arbeiten, wie ich sie im Rahmen meines Studiums schreiben muss, sind Fuß- bzw. Endnoten weit verbreitet. Betrachtet man das Thema abstrakt, dienen sie der störungsfreien Angabe optionaler Informationen, wie zum Beispiel Quellenangaben. Manchmal sind es aber auch schlicht weiterführende, aber vom Thema abweichende Gedanken oder Anmerkungen.

Im Neologismus machen wir auch immer wieder gerne davon Gebrauch: Sei es ein humoresker Einwurf unseres Chefredakteurs als „Anmerkung der Redaktion“, oder weiterführende Gedanken. Außerdem fördern wir die Angabe von Quellen in Endnoten zu einzelnen Artikeln.

Doch in Print-Zeitungen oder Online-Medien findet man Fußnoten nur sehr selten. Woran liegt das?

Fußnoten mit Format

Ein Großteil des Problems wird in dem etwas sperrigen Format von Fußnoten liegen: Man stelle sich eine vollständig aufgeklappte Ausgabe einer Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor, die auf einer Seite viele Artikel beheimatet – und jeder hat eine oder mehrere Fußnoten. Was wäre das für ein Chaos am unteren Rand der Zeitung!

Ein ähnliches Problem ergibt sich bei Online-Medien. Hier gibt es nicht wirklich einen festen unteren Rand der (Bildschirm-)Seite. So wären grundsätzlich höchstens Endnoten zu Artikeln möglich, die zu erreichen gerade auf den immer verbreiteteren Mobilgeräten furchtbar umständlich ist.

Einzig die mobile Variante von Wikipedia hat eine elegante Möglichkeit gefunden: Tippt man auf die Referenz zu Fußnote, wird diese über dem Fließtext schwebend am unteren Bildschirmrand angezeigt und verbleibt dort, auch wenn man scrollt, bis man sie wieder schließt.

Dennoch könnte man vermuten, dass Fußnoten in ihrer Umsetzung viel zu umständlich sind und einen zu geringen Mehrwert haben, als dass man sie auf journalistische Inhalte und übertragen sollte.

Doch hier muss ich widersprechen.

Fußnoten für den Journalismus

Denn Journalismus hat in den aktuellen Zeiten, ein gravierendes Glaubwürdigkeitsproblem. Das betrifft einerseits ganz offensichtlich die Menschen, die mit ihren „Lügenpresse“-Vorwürfen in eben dieser scheinbar überproportional vertreten sind. Andererseits lassen sich so nur schwer die 42% der Bevölkerung erklären, die laut einer Umfrage im Auftrag des WDR die Medien für nicht glaubwürdig halten.

Fußnoten oder Ähnliches ermöglichen es, Faktenaussagen direkt zu belegen, und erlauben dabei zeitgleich dem interessierten Leser einen tieferen Einblick in die Thematik. Das gibt bereits von der Aussage des Artikels überzeugten Lesern die Möglichkeit, sich tiefer in das Thema einzulesen und weitere Aspekte hinter einzelnen Aussagen zu entdecken. (Etwas, das Wikipedia zum Beispiel sehr schön durch die internen Verlinkungen ermöglicht.) Daneben bietet es Kritikern die Möglichkeit, Details zu hinterfragen, wie zum Beispiel die von mir oben zitierte Umfrage.

Alles in allem bieten großflächig eingesetzte Fußnoten die Möglichkeit, ein „Netz der Glaubwürdigkeit“ aufzubauen: Mehrere Artikel, im Idealfall aus unterschiedlichen Quellen, geben sich gegenseitig Glaubwürdigkeit, indem sie aufeinander aufbauen. Das haben die Informationsquellen der „Lügenpresse“-Rufer bereits verstanden, die mit eben dieser Technik ein geschlossenes Weltbild aufbauen, dass nur leider abseits von breitem gesellschaftlichen Konsens ist.

Neben den technischen Hürden bei der Umsetzung, die ich oben beschrieben habe, und dem größeren Aufwand beim Schreiben von Artikeln braucht das Ganze natürlich Mut, denn man muss seiner eigenen Recherche und Argumentation so sehr vertrauen, dass man sie einer direkten, unabhängigen Prüfung freigibt.

Außerdem muss man dem Nutzer vertrauen: Gerade online sind die Verlage auf Einnahmen aus Werbung angewiesen, die der Nutzer schlicht nicht sieht, wenn er sich von weiterführenden Links auf andere Quellen von der Nachrichtenseite wegtragen lässt, statt dort weiter zu verweilen.

Dennoch glaube ich, würden auch Verlage und Autoren davon profitieren: Eine überprüfbare Nachrichtenquelle ist eine glaubwürdigere und somit eine bessere, die ich als Leser eher besuchen würde. Vielleicht würde sogar die Qualität der Artikel durch eine dokumentierte Recherche steigen – ich mutmaße hier.

Journalismus befindet sich momentan in schweren Zeiten, in denen wegen des Internets einerseits Einnahmen wegbrechen und andererseits die Position als einzige Quelle für aktuelle Informationen verloren geht. Gerade deshalb muss eine Möglichkeit gefunden werden, die Korrektheit und Glaubwürdigkeit von journalistischen Erzeugnissen als potentielles Alleinstellungsmerkmal zu stärken.

Ich sage bewusst nicht, dass Fußnoten uns direkt zu diesem Ziel führen werden. Es gibt noch einige weitere Probleme, die gelöst werden müssen, auch auf politischer Ebene, um Presse als glaubwürdige, unabhängige Institution zu stärken. Aber Fußnoten sind eine Idee und vielleicht auch ein erster Schritt, um diesem Ziel zumindest schon mal ein bisschen näher zu kommen.


Ebenfalls erschienen im Neologismus 16-07

Cerulean

Ich lausche dem rauschenden Tosen des Baches
Ich stehe hier staunend, und was ich sach’ is’
Ich bleibe beileibe hier noch einen Tach’ bis
Die Dunkelheit Funkeln zeigt, und es Nacht ist
Alltäglich ist ohne dich – hach – trist
Doch wenn ich meine Zeit so weit weg am Bach frist’
Mich im Sternenlicht wärme – ich weiß,
          dass du kommst und mich wachküsst\

Golden light floods the sky as the sun kisses the horizon. The rustling trees perfect the silence of the tepid evening in late summer. A mild breeze swirls around his ankles as he stands barefoot on the asphalt which is still warm from the day. Birds pass by some lonely fair weather clouds shining in the rich purple of ripe plums.

Her long, soft skirt nearly touches the ground as it sways with each step. She tucks her dark hair behind her ear, revealing an earring with a small, white feather swinging in the air, shimmering in the light of the setting sun.

A crooked smile curls his lips as he turns and realizes being followed by her. His eyes wander from the orange of her skirt through the burgundy of her top to find the brown of her eyes. Warm like the ending day. Deep like a long conversation. Clear like a glimpse directly into one’s soul.

A breath of wind unwinds a single wisp of her hair, floating in the air for a second before settling on her face just between the two birthmarks on her cheek. A smile reaches her eyes. Her apricot lips part to reveal her white teeth.

He takes a step towards her, his eyes fixed on hers, ignoring the vibrant colours of his surroundings. A beam of light breaks through the trees and lets the asphalt to their feet glow. A soft raindrop hits his green shirt as he rests his hands on her hips.

More drops begin to complete the summer rain. Drops on her arms, drops on his hair, drops on the asphalt. Drops sending warm shivers throughout his body. Drops of a temperature perfect for the end of a hot summer day.

Her hand touches his back. His hand reaches out to her cheek, caresses her ear and the small white feather. Her eyes gleam as they come closer. His eyes shift from hers to her mouth. The trees silence as if they hold their breath for a second to admire the unbearable tension. The world stops when their lips meet for a kiss of gold and crimson.


Is a perfect moment – in retrospect – less perfect, just because you experienced it with the wrong person? Does a moment lose its power simply because the person you shared it with isn’t going to share any more moments with you?

You once said that if you were ever going to write a romance, this scene would be a core element of the story. I said that I’d like to create a short film of this singular event – only showing many small details, without ever revealing the whole picture. To leave more space for everyone’s own story.

It’s a pity that what we had isn’t there any more. That we parted just like we did after this kiss. It was a good time, full of adventures and butterflies. I won’t let go of these powerful memories that shaped who I am today. Sometimes, I think about the old days of dancing in the rain. And then I smile.

It’s the little shortcomings that make life perfect in the end. Like earth spinning around a tilted axis, giving us the seasons of the year. Like summer rain on a hot day. Like the few fair weather clouds that round out a sunset with all its mighty colours.

And then, after all, everything will be okay. Without any “maybe”.


Titelbild: Mrs TeePot (CC BY-NC 2.0)
Ebenfalls erschienen im Neologismus 16-04

Die Bestimmung: Allegiant

Ein Rant

Ich hätte es ja ahnen können, bevor ich ins Kino gegangen bin. Ich hätte wissen können, dass das Studio, das schon bei Twilight und den Tributen von Panem das Wort „Trilogie“ erheblich überdehnt hat, auch vor diesem Film nicht Halt machen würde. Spätestens die von mir als Aprilscherz abgetanen Meldungen über einen Film namens „Ascendant“ in der „Die Bestimmung“-Reihe in meiner Handy-App für Kinofilme hätte mich stutzig machen sollen. Aber nein. Ich war naiv. Vielleicht habe ich an das Gute im Menschen geglaubt. Offensichtlich ein großer Irrtum. Daher jetzt dieser Text, neudeutsch „Rant“ genannt. Ich rege mich auf.

Hinweis: Allen, die Film und/oder Buch noch nicht gesehen bzw. gelesen haben, empfehle ich, diesen Text nicht zu lesen, denn ich werde überraschende Handlungselemente vorwegnehmen, neudeutsch „spoilern“.

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Bernstein-Hypothese

Soziolinguistik in einer Kurzgeschichte

Einleitung

Im Deutsch-Grundkurs in der Oberstufe erhielten wir die Aufgabenstellung, eine Kurzgeschichte zu einer soziolinguistischen Theorie zu verfassen. Themenwahl und Länge der Kurzgeschichte selbst waren den Kursteilnehmern als Verfassern freigestellt, einzige Vorgabe war, dass die Theorie illustriert wurde. Im Folgenden will ich meine Kurzgeschichte von damals veröffentlichen und schließlich die in ihr versteckte Bernstein-Hypothese, besagte soziolinguistische Theorie, kurz beleuchten und über ihre Aussagen reflektieren.

Kurzgeschichte

Der Knall zerreißt die Luft. Wie bin ich hier her gekommen? Während sie die Waffe langsam sinken lässt, beginnt die Frau zu weinen. Mit einem dumpfen Geräusch landet die Pistole im Schoße des Mannes, der mich hierher gebracht hat, der für sie ein Gott war, und der sich nun den blutenden Arm hält. Weitere Polizisten stürmen den Raum, wobei ihr Blick erst auf ihren toten Kollegen fällt. Für die Männer ist es ein Leichtes, den verwundeten Mann mit der Waffe im Schoß zu überwältigen. Wie bin ich hier her gekommen? Langsam erinnere ich mich. Immer stärker wird mir bewusst, dass ich nicht mehr nur eine unbeteiligte Dritte bin. Die Andere hat aufgegeben und sitzt auf dem Boden, die Hände vor dem Gesicht. Und ich stehe nur da.

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Momentum

Like the scent of the fall
Starting tonight
Fade to gray, fade to black,
Fade to white

Like the kiss of a rose
Withering away
Fade to black, fade to white,
Fade to gray

Like the sound of a heart
Never coming back
Fade to white, fade to gray,
Fade to black


Ebenfalls erschienen im Neologismus 16-03