Walter Moers: Wilde Reise durch die Nacht

Der Tod stellt seine Aufgaben

Der Tod stellt seine Aufgaben

Der junge Gustave Doré will Maler werden – leider befindet sich der 12-jährige gerade als Kapitän an Bord eines Schiffes, dass von den grauenhaften Zwillingstornados zerstört wird. So trifft Gustave auf den Tod, der ihm das Leben schenken will, wenn er es schafft, sechs Aufgaben zu erfüllen:

Eine Jungfrau aus den Klauen eines Drachen befreien, einen Geisterwald möglichst auffällig durchqueren, die Namen von fünf Riesen erraten, den Zahn des Schrecklichsten Ungeheuers besorgen, sich selbst treffen und dann den Tod auf dem Mond besuchen. Nichts Geringeres muss er in einer Nacht schaffen. Dabei trifft er harmlose Ungeheuer und wilde Amazonen, Begleiter werden zu Freunden und Freunde zu Feinden. Er lernt nicht nur den Tod, sondern auch den Wahnsinn, die Zeit und die Liebe kennen und versucht alles, dem Tod von der Schippe zu springen. Dabei muss er immer wieder feststellen:

»Bist du ein Diener des Todes?« fragte Gustave.

»Sind wir das nicht alle?« gab der Greif düster zurück.

Das alles wird in der typisch-moerschen Art vorgetragen: Ob Siamesische Zwillingstornados, lindwurmverarbeitende Amazonenindustrie, Traumberaterin, Schluchzende Schluchten oder Raumzeitkontinuierliche Möglichkeitsprojektion in der Futuristischen Eventualitätswabe – die grandiose Geschichte baut auf dem riesigen Ideenreichtum ihres Autors auf, der die fantastische Welt, durch die der Held reisen muss, unglaublich detailreich beschreibt.

Gustave Doré: „Don Quixote“

Gustave Doré: „Don Quixote“

Doch das eigentlich Einzigartige an dem Roman sind seine Illustrationen. Sie stammen nicht wie üblich von Moers selbst, sondern (und das ist der Clou) von dem Illustrator Gustave Doré. Dieser hat eigentlich im 19. Jahrhundert gelebt und viele Werke berühmter Autoren wie Dante und Shakespeare illustriert. In seinem Roman hat Moers den Spieß umgedreht und ausgewählte Werke von Doré in seine Geschichte eingewebt, in der letztendlich der junge Gustave Doré einige seiner berühmtesten Werke „vorträumt“.

Was dabei entstanden ist, ist eindeutig: Eine in Text und Illustration bildgewaltige fabelhafte und philosophische Reise durch Zeit, Raum und die Nacht. Was man daraus lernt, ist ebenso klar:

»Das Leben ist eine wilde Reise! Gefährlich! Unvorhersehbar! Voller Überraschungen – selbst wenn du es damit verbringst, irgendwo auf einem Stuhl an ein und derselben Stelle sitzen zu bleiben.«


Zum Buch: „Wilde Reise durch die Nacht“ von Walter Moers, mit Illustrationen von Gustave Doré. Roman. Goldmann-Verlag. Broschiert, 224 Seiten. ISBN: 3442452910


Titelbild: Wikimedia (CC 0)
Bild Matrose: Wikimedia (CC 0)
Bild Don Quixote: Wikimedia (CC 0)
Ebenfalls erschienen im Neologismus 14-07

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