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Einmal Pegida bitte!

Eindrücke von zwei Demonstrationen

Eigentlich sollte dieser Artikel ganz anders werden, als er es jetzt ist. Eigentlich wollte ich am Montag, 23. März, in die Karlsruher Innenstadt gehen und mich mit den Demonstranten der hier ansässigen Pegida Karlsruhe-Bewegung unterhalten und sie fragen, warum sie da sind, was sie bewegt und was sie sich von der Politik wünschen. Dieser Plan ist nicht wirklich aufgegangen. Ich war zwar mit einem Kommilitonen in der Innenstadt, habe aber von der Pegida-Demonstration selbst recht wenig mitbekommen. Von daher will ich hier meine Eindrücke schildern, von der ersten „richtigen“ Demonstration, die ich besucht habe. Doch fangen wir vorne an:

Prolog

Auch in Karlsruhe gibt es eine Pegida-Bewegung, die zu ihren Veranstaltungen immer 100 – 200 Menschen in Karlsruhe, auf dem Stephansplatz hinter der Postgalerie, einem Einkaufszentrum im alten Hauptpostgebäude, zusammenbringt. Die Veranstaltungen, die immer den vollmundigen Facebook-Veranstaltungstitel „PEGIDA KARLSRUHE SPAZIERGANG [X].0“ tragen und in der Vergangenheit immer an Dienstagen stattfanden, lockten in der Regel eine 3 bis 4 mal so große Zahl Gegendemonstranten einer „NoKargida“-Bewegung an, die sich auf dem Europaplatz auf der anderen Seite der Postgalerie treffen.

Mir waren immer beide Seiten ein bisschen suspekt. Einerseits natürlich die Pegida-Anhänger, die sich vehement vor der Islamisierung fürchten, auch wenn die Fakten, wie ich sie sehe, dagegen sprechen. Andererseits aber auch die Gegendemonstranten, die zwar „in guter Sache“ unterwegs sind, aber allein durch ihre Anzahl und Konfrontationen mit Pegida-Demonstranten für die Blockaden des Alltagslebens in Karlsruhe und damit auch die Aufmerksamkeit für die Bewegung sorgen.

Ich selbst war und bleibe auch der Meinung, dass ich mir inhaltliche Aussagen zu beiden Bewegungen weitestgehend vermeiden sollte, bis ich nicht mit beiden Seiten geredet habe und verstehe, was da wer eigentlich im Detail will. Der logische Schritt also: beide Veranstaltungen mal beobachtenderweise besuchen.

Vor der Demo

Bevor ich zur Demo selbst komme, noch eine Beobachtung, die mich selbst stutzig gemacht hat: Termine trägt man in seinen Kalender ein. Mein Kalender liegt aus Komfortgründen bei Google. So wirklich wollte ich aber keinen Termin mit Titel „Pegida“ in den Kalender eintragen. Genauso Facebook – die Seite der Veranstaltung habe ich mehrfach aufgerufen, um mich zu informieren. Oder Twitter: Ich wollte so ein bisschen berichten, was ich da vorhabe. Aber bei alldem habe ich abgewogen, inwiefern diese Interaktionen im Nachhinein ausgewertet und im Zweifel gegen mich interpretiert werden können, wenn die falschen Schlüsse gezogen werden.

Am Morgen vor der Demonstration selbst stand die ganze Sache nochmal kurz vor dem Kippen: Die Betreiber der Postgalerie (wir erinnern uns, Einkaufszentrum) haben die Demonstrationen im Eilverfahren verbieten lassen wollen, weil sie in dieser Zeit erhebliche Umsatzeinbußen haben. Doch dann gab es (für meinen Geschmack etwas zu kurzfristig) doch noch grünes Licht.

Teil 1: Die Gegenveranstaltung

So bin ich gegen 19 Uhr, eine halbe Stunde vor Beginn der Pegida-Kundgebungen, auf dem Weg in Richtung Postgalerie. Die Polizei hat, nach negativen Erfahrungen bei den ersten „Spaziergängen“, die Pegida-Demonstranten eingezäunt und das Gebiet abgesichert. Knapp 300m vor dem Ort der Kundgebungen stehen die ersten sieben grimmig guckenden und im Block stehenden Bereitschaftspolizisten an einer Straßenecke und man hat ein ähnliches Gefühl, wie wenn man in einem Geschäft ohne etwas gekauft zu haben an der Kasse vorbeigeht – bloß nicht verdächtig gucken, sonst greift man dich am Schluss raus, obwohl du nichts getan hast…

Aus diesem leichten Gefühl der Angst und Unsicherheit heraus haben sich mein Kommilitone und ich für die „sichere“ Seite der Demonstration entschieden, die nicht völlig abgeriegelt war: Die Seite der Gegendemonstranten. Die haben auch schon um kurz nach 19 Uhr angefangen: Knicklichter werden verteilt, ein Gewerkschafter und noch 2 andere Menschen halten Reden, es werden Flugblätter verteilt mit dem Inhalt „Also diese angeblichen Ausschreitungen der Linken letztes Mal… Die waren gar nicht wirklich so… Wir wollten nur andere Linke beschützen“. Trotz der Ankündigung, der Bahnverkehr werde für die Veranstaltungen umgeleitet, fahren weiterhin regelmäßig Straßenbahnen am Veranstaltungsort vorbei.

Teil 2: Wo ist Pegida?

Mein Interesse, zumindest einen Teil der Pegida-Aktion zu sehen, ist aber noch nicht befriedigt. Auf der Karlstraße (auf der ja auch noch Bahnen fuhren) kann man an der Postgalerie vorbeigehen. In der hinteren Ecke des Stephansplatzes steht tatsächlich eine Bühne, deren Dach man erkennen kann. Davor jedoch eine mit Flutlicht ausgeleuchtete Pufferzone aus Absperrungen und Sicherheitskräften, eine Querstraße zugeparkt mit drei Reihen Einsatzfahrzeugen. Und natürlich ein paar Demonstranten: Rote Fahnen, Musik, deren Text auf Antifaschismus schließen ließ. Jemand brüllt „Raus, ihr Nazi-Hurensöhne!“ und ich komme nicht umher, zynisch zu bemerken: „Das ist der richtige Weg, Intoleranz zu begegnen: Mit Intoleranz.“

Es ist aber auch mir sympathischer Protest zu beobachten: Ein Schild „Das 19. Jahrhundert hat angerufen – es will sein Weltbild zurück!“, auf dessen Rückseite freundlich in etwa steht „Mit Einhörnern gegen Pegida!“.

Gegen halb 8 ist nicht nur Beginn der Pegida-Kundgebungen, sondern offensichtlich auch Ende der Kundgebungen der Gegenseite – Gegendemonstranten folgen uns um die Postgalerie, um (separiert durch den Polizeigürtel, in dem für jeden Demonstranten gefühlt ein Polizist stand) die Pegida-Demonstranten nicht nur beobachten, sondern in erster Linie auspfeifen zu können. Die unerträgliche Lautstärke macht es leider unmöglich zu verstehen, was am anderen Ende des Platzes verkündet wird. Eigentlich schade, dass inhaltliche Auseinandersetzung so unmöglich gemacht wird. Außerdem wurden die Gegendemonstranten selbst von Pegida-Anhängern nicht in dieser Art bei ihrer Kundgebung gestört.

Manchmal bilden sich Sprechchöre. Die Gegendemonstranten rufen „Es gibt / kein Recht / auf Nazipropaganda“, wozu mein leise gemurmelter Widerspruch nur ist „Naja, es gibt Meinungsfreiheit hier. Im Prinzip also schon“. Von den Pegida-Demonstranten hört man ein koordiniertes „Na-zis raaus! Na-zis raaus! …“. Auch ein kurzes „Wir sind das Volk“, über das Pfeifen allerdings kaum zu hören. Ein paar Minuten später singt man bei Pegida die Nationalhymne. Zu diesem Zeitpunkt ist es bei den Gegendemonstranten relativ ruhig, hauptsächlich ist nur ein lauter Trommler hörbar, der aber (zu meiner leisen Freude) in doppeltem Tempo im Takt trommelt. Ich sehe eine Deutschland-Flagge, das einzige optische Zeichen, dass da tatsächlich Menschen stehen.

Dann ist die Kundgebung vorbei und der „Spaziergang“ scheint zu beginnen. Ein Trupp Bereitschaftspolizisten läuft in Richtung Pegida, wahrscheinlich, um den Platz von hinten abzusichern. Wenige Minuten später macht sich auch eine kleinere Einheit mit roten Metallflaschen auf dem Rücken auf den Weg in diese Richtung. Tränengas? Ich weiß es nicht.

Neben mir steht eine Frau, offensichtlich Anwohnerin im von der Polizei gesperrten Bereich, die sich am Telefon über die massive Behinderung ihres Alltags ärgert. Diese Demonstrationen wären für niemanden gut. Außer vielleicht für den Betreiber des Parkhauses der Postgalerie, der die geparkten Autos (leider) beim letzten Mal bis 21 Uhr drinbehalten musste.

Die Gegendemonstranten an ihrem „Beobachtungsposten“ machen sich auf jeden Fall langsam auf den Weg und gehen wieder auf die andere Seite der Postgalerie. Entweder mit der Bahn nach Hause oder zu Fuß in die Richtung, in die auch Pegida marschiert. Ich umrunde mit meinem Kommilitonen den abgesperrten Bereich weiträumig (keine Anzeichen von Protesten, wenig Polizisten) und mache mich auf den Heimweg.

Da, wo früher am Abend die ersten Polizisten standen und die Sperrung für den Verkehr beginnt, wurde es nochmal kurz spannend: Gegendemonstranten laufen über die befahrene Baustellenkreuzung und verschieben Baustellenabsperrungen. Ich gehe nicht näher nachsehen, bleibe aber mit ein paar schaulustigen Passanten kurz stehen. Ein junger Mann mit Bierflasche erklärt, da stünden sich Demonstranten und Gegendemonstraten direkt gegenüber! Auch wenn das im Rückblick scheinbar nicht gestimmt hat, scheint der Trupp Polizisten in Schutzausrüstung, der vorbeijoggt, leicht angespannt. Dann ist die Straße aber wieder leer, und ich gehe nach Hause.

Epilog

Am Abend selbst habe ich mir noch überlegt, was für mich von den Demonstrationen übriggeblieben ist. Die spontane Antwort war „kalte Finger“.

Ich hätte gerne mehr mitbekommen, wofür man bei Pegida so steht, was aber leider wie erwähnt nicht möglich war.

Daher möchte ich auch am Ende dieses Artikels kein wirkliches Fazit ziehen. Das überlasse ich jedem selber.


Ebenfalls erschienen im Neologismus 15-03

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