»GEZ abschaffen!«

Oder: Warum wir „Staatspropaganda“ brauchen

Es sind die unterschiedlichsten Menschen, die die Abschaffung der GEZ und damit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordern: Ein älterer (ich glaube Philosophie-)Professor, der vor drei Monaten in einem Flugblatt darauf aufmerksam gemacht hat, er habe gar keinen Fernseher, weil Fernsehen ja eh Schwachsinn sei, und deshalb sollte er auch keine GEZ zahlen müssen (gespickt mit einem Hitler-Vergleich). Verschwörungstheoretiker mit Facebook-Seiten, die sagen, die Rundfunkgebühren seien eine hochgradig illegale Abgabe, aber was solle man denn anderes erwarten, wenn die BRD sowieso eine GmbH mit Sitz in Frankfurt a.M. ist. Und erst kürzlich ein netter Herr auf einer Pegida-Demonstration, der prominent sein Schild zur Abschaffung der Staatspropaganda in die Kamera hält.

Auf die Gefahr hin, hier vieles in einen Topf zu schmeißen und grauenhaft zu verallgemeinern: Man ist sich scheinbar auf einem breiten Spektrum relativ einig, dass unser Rundfunksystem so nicht funktionieren darf: Es ist ungerecht, unsozial und verfassungswidrig, die öffentlich-rechtlichen Sender sind staatlich gesteuert und gehören abgeschafft.

Ja... Naja. Nein. Also irgendwie komme ich nicht umher, dass für ein bisschen – sagen wir – übereifrig zu halten. Und das aus vielen Sichten.

Zum einen empfehle ich mal jedem Staatsrundfunksgegner, eine Ausgabe der Tagesthemen oder des Heute Journal’s neben die am gleichen Tag erschienene Ausgabe Pro7 Newstime zu legen. Oder mal ein bisschen n-tv zu gucken. Damit will ich keinesfalls die Sinnhaftigkeit dieser Programme in Frage stellen, aber den beiden letzteren fehlt oft eine gewisse Tiefe in ihren journalistischen Beiträgen.

Was wäre neben deutschen Privatsendern sonst noch eine Alternative zur „Staatspropaganda“? Wie die Heute-Show eindrucksvoll auf einer Pegida-Demonstration gezeigt hat, zum Beispiel Russia Today deutsch. Und dass dieser Sender nun explizit nicht staatlich ist, kann ja wohl jeder bestätigen! Immerhin: Man kann argumentieren, dass russische Medien westlichem Handeln eher kritisch gegenüberstehen als es westliche Medien tun. Dennoch handelt es sich wieder auch um Propaganda; da muss jeder wählen, welche er gerne hätte.

Nachdem man Fernsehen ja scheinbar nicht trauen kann, bliebe auch noch die deutsche Presse. Ja, das stimmt. Wenn man manchen Pegida-Demonstranten glaubt, ist die zwar auch „gleichgeschaltet“, aber zumindest mein Flugblatt-Professor vom Anfang hatte da noch Vertrauen in Qualitätsjournalismus. Und egal für wie wichtig ich Presse für eine differenzierte Meinungsbildung halte, ich will mir nicht jeden Morgen den gesamten Nachrichtenüberblick aus 30 mit kleiner Schrift bedruckten Seiten zusammensuchen. Ich will, dass mir beim Frühstück jemand eine halbe Stunde erklärt, was gerade aktuell ist. Und das kann eben nur Rundfunk.

Meiner Meinung nach kommt man also um guten öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht herum. Nun kann man natürlich die aktuelle Umsetzung kritisieren. Man kann kritisieren, dass Politiker die Gremien der Sender zu sehr kontrollieren und die Beiträge daher zu „staatstreu“ sind. Kritisches Hinterfragen ist allerdings auch ein Problem bei der Presse, genauso wie deren Verflechtungen mit politischen und Lobby-Vereinen. Da ist dann vielleicht überall ein bisschen mehr journalistische Unabhängigkeit gefragt, für die man allerdings auch zu zahlen bereit sein muss – sei es am Kiosk für die Zeitung oder als Form der Rundfunkabgaben für die Öffentlich-Rechtlichen.

Und gerade öffentlich-rechtliche Sender sollten da eigentlich in einer guten Position sein: Das Geld kommt von alleine, und zwar symbolisch unabhängig vom Staat explizit nicht als Steuer. Man ist damit auch eben nicht wie private Medien abhängig von Zuschauerquoten und Werbeeinnahmen. Die Öffentlich-Rechtlichen haben den Auftrag, sich neben Unterhaltung auch explizit um unabhängige und ausgewogene Information und Bildung zu kümmern, und die Mittel, das zu tun, auch wenn es sich betriebswirtschaftlich für die privaten Sender gar nicht lohnt. Und genau das ist wichtig für eine angemessene journalistische Arbeit nicht nur in Nachrichtenmagazinen, sondern auch in Dokumentationen, Polit-Magazinen und gerne auch Talkshows, Historienfilmen und anderen Formaten.

Dass das nicht zu jedermanns hundertprozentiger Zufriedenheit passiert, daran lässt sich ja noch was ändern; dass da auch mal Fehler passieren, ist auch okay. Dennoch sollten wir uns als Gesellschaft nicht den Luxus leisten, auf öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verzichten.


Ebenfalls erschienen im Neologismus 14-12

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