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„Homo-Ehe“ und Wording

Über Wortfindungsprobleme der Berichterstattung

In Irland wird jetzt nach einem Referendum die Ehe unabhängig von Geschlecht eingeführt.

Über die moralischen und ethischen Aspekte der „Ehe für Alle“ lässt sich problemlos stundenlang diskutieren. Heute jedoch möchte ich mich auf die Frage beschränken, wie man den Vorgang korrekterweise nennt. In Vorbereitung für ein Interview, das hoffentlich in einer der nächsten Ausgaben erscheint, habe ich nämlich überlegt, was genau da in Irland eigentlich am 22. Mai passiert ist – wie der technische bzw. politische Sachverhalt aussieht. Und mir ist klar geworden, dass das nicht nur von Bedeutung für das Thema ist, sondern auch absolut unter den Tisch fällt.

Schwammige Formulierung

Der Spiegel, der mich auf meinem Handy mit Eilmeldungen versorgt, drückt sich um eine exakte Formulierung: „Volksentscheid: Mehrheit der Iren stimmt für die Homo-Ehe“ und „Referendum: Mehr als 60 Prozent der Iren stimmen für Homo-Ehe“ sind die Überschriften. Auch der Teaser wird nicht viel klarer, was da genau passiert ist: „In Irland hat das Ja-Lager den Volksentscheid über die Homo-Ehe mit deutlicher Mehrheit gewonnen. Rund 62 Prozent der Wahlberechtigten haben sich dafür ausgesprochen.“

Auch die die Website der Tagesschau wird auf den ersten Blick nicht genauer: „62,1 Prozent für die Homo-Ehe“, „[D]ie Iren [haben] Ja zur gleichgeschlechtlichen Ehe gesagt“.

Legalisiert? Gleichgestellt?

Wenn man dann aber weiterschaut findet man auch neutral formulierte Aussagen wie:

„Die Iren haben in einem Referendum mit großer Mehrheit für die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen gestimmt.“

Oder auch: „Ganz klar hat sich die Bevölkerung Irlands für die Legalisierung der Homo-Ehe ausgesprochen.“

Die ARD sagt: „Mehrheit für Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe“. Fraglich ist also, ob da jetzt legalisiert wurde, zugelassen oder eingeführt. Oder vielleicht sogar „gleichgestellt“, ein Wort, das in dem Kontext auch immer wieder fällt.

„Gleichgestellt“ wurde da meiner Ansicht nach nichts, schließlich ging es um mehr: Es eben nicht darum, eine Art der Lebenspartnerschaft einfach rechtlich gleichzusetzen – es ging darum, dass Ehe auch unter gleichgeschlechtlichen Paaren möglich ist und exakt so genannt wird.

Bei „Legalisieren“ ist die Konnotation meiner Meinung nach die folgende: Etwas war vorher zwar möglich, aber illegal/verboten/kriminell. Drogen zum Beispiel sind ja durchaus existent, es ist nur verboten, sie zu besitzen, weswegen man über ihre Legalisierung nachdenkt. Im hier vorliegenden Fall ist das ja anders: Eine Ehe unter gleichgeschlechtlichen Partnern war in Irland schlicht unmöglich, nicht aber illegal.

Gleichgeschlechtliche Ehen „zulassen“ klingt irgendwie ein bisschen nach „wir tolerieren das, aber gutheißen… nicht wirklich“. Alles in allem erscheint mir „Einführung“ doch das neutralste zu sein.

Eine schöne Alternative liefert Leo Varadkar, Irlands Gesundheitsminister, in deutscher Übersetzung der ARD: „Wir sind das erste Land der Welt, dass die Homo-Ehe in der Verfassung verankert.“ Sehr schön wird hierbei unter den Tisch gekehrt, dass auch andere Länder Ehe unabhängig von Geschlecht erlauben, ohne das explizit in die Verfassung geschrieben zu haben.

Die Formulierung im Referendum selbst war die Folgende: „Marriage may be contracted in accordance with law by two persons without distinction as to their sex.“

Der zeitliche Ablauf

Frage: „Wird die Ehe unabhängig vom Geschlecht nach dem“ oder „wurde sie durch das“ Referendum eingeführt? Dazu treffen die bislang genannten Nachrichtenseiten keine Aussage, da sie sich nur auf das Ergebnis des Referendums, nicht auf die Sachfrage beziehen.

Am ehesten wird das beantwortet durch Leo Varadkar von oben: Die Homo-Ehe ist in der Verfassung verankert. Was das im Detail bedeutet erklärt die zuständige Referendum Commission: Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern erhalten verfassungsmäßig die gleichen Rechte. „The other detailed rules about who may marry will continue to be set out in legislation.“ Sprich deklaratorisch ist schon alles geregelt, technisch ist die (in dem Fall tatsächlich) Gleichstellung im Detail aber noch Work in Progress.

Ein anderer interessanter Aspekt des zeitlichen Ablaufs ist das Referendum in Irland selbst. Vor diesem, und das wird oft nicht erwähnt, musste erst das irländische Parlament für die Homo-Ehe votieren – was eigentlich viel bedeutender ist, wo in Deutschland ein solches Vorhaben schon im Bundestag scheitern würde (unabhängig davon, dass danach kein Referendum vorgesehen wäre).

Der letzte Schliff

In den Medien wird sehr häufig der abgrenzende Begriff „Homo-Ehe“ verwendet, wesentlich häufiger als der (eigentlich konträre) Begriff „Hetero-Ehe“. Auf Facebook wurde ich dann aufgeklärt, es ginge bei dem ganzen Thema richtigerweise um „Ehe unabhängig von Geschlecht, also inklusiver formuliert.“ In der Tat, so formuliert es auch das Referendum.

Daher scheint mir die angebrachte, neutrale Formulierung in dieser Situation:

In Irland wird jetzt nach einem Referendum die Ehe unabhängig von Geschlecht eingeführt.


Titelbild: William Murphy (CC BY-SA 2.0)
Ebenfalls erschienen im Neologismus 15-05

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