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Über Sinnfragen und ihren Sinn

Küchenphilosophie Teil 2

Vor ein paar Tagen hat eine Freundin über den Sinn des Lebens getwittert: „Sinn des Lebens ist es, den Sinn des Lebens nicht zu kennen. Denn wenn man den Sinn des Lebens kenne würde, hätte das Leben keinen Sinn mehr.“

Diese Aussage deckt sich in gewisser Weise mit zwei Thesen, mit denen Douglas Adams seinen Roman Das Restaurant am Ende der Galaxis eröffnet: „Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau rausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt.

Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.“

Und weil dieses Thema so spannend ist, habe ich mich entschieden, es vor den in der letzten Ausgabe versprochenen Beitrag zu Erkenntnistheorie zu schieben.

Warum fragen wir?

Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen wir ganz offensichtlich aus Angst. Wir kriegen Panik, wenn wir daran denken, dass wir vielleicht nur ein Zellhaufen mit Haftpflichtversicherung sind. Wir wissen nicht, warum wir die Dinge tun, die wir tun. Und insbesondere fürchten wir uns davor, was nach unserem Tod kommt.

Schnell jedoch stellt sich heraus: Nach dem Sinn fragen wir eigentlich nur, weil wir erwarten, dass es für unser Leben einen Zweck gibt, der vom Einzelnen unabhängig ist – Sinn ist also, so die allgemeine Vorstellung, etwas extern Vorgegebenes.

Stellt sich also die Frage, wer oder was einen solchen „externen Sinn“ geben kann. Kant würde vielleicht sagen: Sinn des Lebens ist die Befolgung des kategorischen Imperativs, und somit a priori objektiv gegeben und Teil der logischen Struktur der Welt.

Historisch älter ist die Vorstellung, dass Gott1 den Sinn vorgibt. In Hinblick auf Gott könnte man die Sinnfrage zum Beispiel so beantworten: „Lebe ein frommes Leben, damit du in den Himmel kommst.“

Heute ist so etwas aber in der Regel zu plump.

Der Sinn heute

Heute findet man überall paradoxe Aphorismen, die der Frage aber im Grunde ausweichen. Zum Beispiel der eingangs erwähnte Tweet: „Sinn des Lebens ist es, den Sinn des Lebens nicht zu kennen.“ Oder aber auch: „Sinn des Lebens ist, den Sinn des Lebens zu finden.“

Da stelle ich mir jedoch die Frage: Wo ist der Erkenntnisgewinn? Klar, das klingt soweit ganz schlau, aber was will man mir sagen?

Wenn es keinen Sinn gibt, kann das nicht der Sinn sein. Wenn der Sinn des Lebens ist, ihn zu finden, was ist dann in dem Moment noch der Sinn, wenn ich diese Aussage treffe, also den Sinn gefunden habe? Solch selbstreferentielle Formulierungen sind doch Unsinn.

Der belesene Leser wird jetzt auf Sokrates verweisen: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – das ist doch genauso selbstreferentiell kaputt. Allerdings ist hier die getroffene Aussage klar: Es ist schwer und nur in Ausnahmen möglich, Dinge mit absoluter Sicherheit zu wissen.2

Hier ist jedoch explizit kein Erkenntnisgewinn möglich: „Sinn des Lebens ist es, den Sinn zu finden“ trifft für sich keinerlei Aussage und ist höchstens Aufruf zur Diskussion.

Kein Sinn?

Was aber, wenn es gar keinen von außen vorgegebenen Sinn gibt? Ich würde da vorschlagen, als aufgeklärte Menschen könnten wir unserem Leben doch selbst Sinn geben.

Insbesondere im Kontext des Artikels zu freiem Willen in der letzten Ausgabe ist das ganz spannend, denn ich komme dort zu der Nebenerkenntnis, dass freier Wille, Schicksal und Gott letztendlich drei Seiten der selben (obskuren) Medaille sind.

Wir können dem Leben also selbst Sinn geben, indem wir Sinn schaffen. Durch kreative, wertschaffende Arbeit zum Beispiel. Durch Selbstverwirklichung: Texte, Lieder schreiben, malen oder zeichnen, bauen oder tischlern. Oder durch soziale Tätigkeiten. Durch Wissen gewinnen, sammeln und weitergeben.

Letztendlich kann dich als selbstbestimmten Menschen nämlich niemand von außen erfüllen, du musst das selbst tun. Sogar Til Schweiger3 erkennt in seinem Film Keinohrhasen: „Kein Typ auf der Welt kann Dich glücklich machen […] Du musst Dich selbst drum kümmern, dass Du glücklich wirst.“

Natürlich ist genau das eine ziemlich große Aufgabe, und somit eine ziemlich große Verantwortung, die, ja, Angst machen kann. Aber gerade den Umgang mit einer solchen Verantwortung halte ich für eine ziemlich wichtige Eigenschaft von mündigen, aufgeklärten Menschen.


  1. Der Einfachheit halber verwende ich „Gott“ für jedes göttliche oder gottesähnliche Konzept. ↩︎

  2. Darauf werde ich beim Thema Erkenntnistheorie dann nochmal zurückkommen. ↩︎

  3. Und ich hätte nie erwartet, den mal in einem Artikel über Philosophie als positives Beispiel zu verwenden. ↩︎


Ebenfalls erschienen im Neologismus 16-12

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