Star Wars: Die letzten Jedi

Die helle und die dunkle Seite der Franchises

„Der Weg ist ein anderer, als du ihn dir vorgestellt hast“, sagt Luke Skywalker zu seiner jungen Schülerin Rey. „Ich kenne nur eine Wahrheit: Die Zeit der Franchises … ist zu Ende.“

Der neueste Teil der Star Wars-Filme hat unter Fans Wellen geschlagen und Meinungen darüber, ob es sich nun um einen guten oder schlechten Film handelt, könnten nicht weiter auseinander liegen. „Mutig“ nennen ihn die einen, insbesondere professionelle Filmkritiker attestieren dem Film, im Gegensatz zu seinem Vorgänger The Force Awakens neue Wege gegangen und somit auch künstlerisch einen Mehrwert geschaffen zu haben. Die andere Hälfte der Fans zerreißt sich den Mund darüber, wie „un-star-wars-y“ der neue Teil doch war und ist sich dabei keines (auch teils sexistischen) Arguments zu schade.

Und ich stehe irgendwo zwischen den beiden und bin mir unsicher, was ich denken soll. Denn natürlich – ohne hier die Handlung zu spoilern – hat der Film seine großartigen Momente, bei denen Charaktere an zentralen Entscheidungen wachsen, bei denen Sound- und Set-Design herausragend sind, bei denen das viel beschworene Star-Wars-Universum Tiefe gewinnt.

Aber dann leidet der Film an vielen Stellen unter seiner Freude, neue Ideen auszuprobieren. An ein, zwei Stellen habe ich im Kino herzlich gelacht, obgleich ich ziemlich sicher bin, dass der Film das explizit nicht von mir wollte. Mein Hauptproblem hatte ich mit der unerhört zufällig zustande gekommenen Nebenhandlung der Charaktere Finn und Rose, die einen gefühlt zu langen, streckenweise kitschigen und ultimativ unsinnigen Mittelteil des Filmes begründet hat. Generell leidet der Film darunter, dass alle Charaktere, für die zum Teil in Episode VII viele Anspielungen gemacht wurden, plötzlich einfach irgendwelche zufälligen Typen sind.

Und damit stand mein Urteil fest: Was ein blöder Film. Also nicht schlecht gemacht, aber eben auch nicht so gut, wie ich erwartet hatte.

Bis ich dann nachgedacht habe. Rogue One zum Beispiel, die Star Wars Story zwischen der Original- und der Prequel-Trilogie, fand ich eigentlich sehr spaßig – und das, obwohl dieser Film auch ganz klare Probleme mit einem langen und unsinnigen Mittelteil hatte. Warum kann ich bei Rogue One ohne Zögern über etwas hinwegsehen, was mich bei The Last Jedi so stark gestört hat? Generell, warum beschwere ich mich eigentlich nicht, wenn in der Original-Trilogie (ohne Prequels) die Charaktere auch alle irgendwie zufällige Typen sind, wie etwa der Imperator, Han Solo oder die beiden Droiden R2D2 und C3PO?

Und dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass sich die Logik hier etwas anders verhält: Es ist ein Franchise! Würden die neuen Star Wars-Filme wirklich ihr eigenes Ding machen wollten, sollten sie halt wirklich eigenständig sein – und sich nicht als Episode VII und Episode VIII in eine von ihren Vorgängern klar als inhaltlich eng zusammenhängende Filmreihe eingliedern. Das Franchise diktiert Zusammenhang – wer im Franchise teilnimmt, hat seinen Regeln zu folgen oder muss anderenfalls evtl. unberechtigte Kritik von „Fanboys“ ohne zu Murren stellen. Was anders sein und nicht im Kontext betrachtet werden will, muss außerhalb des Franchises stattfinden.

Daher darf man auch den Prequels vorwerfen, „un-star-wars-y“ zu sein, auch wenn ein von der eigenen politischen Macht eitel und blind gewordener Jedi-Orden vielleicht eine spaßige Interpretation der Filme und ein akademisch interessanter Blickwinkel ist – der aber eben nicht ins Franchise passt.

Daher empfinde ich Filme wie Rogue One und The Force Awakens (unbewusst) auch als gut, nicht obwohl, sondern gerade weil sie mehr oder weniger transparenter Fan-Service sind. Und daher kriegt The Last Jedi auch ordentlich Flak dafür, zu versuchen, sein eigenes Ding zu machen.

Die Filme der klassischen Trilogie A New Hope und The Empire Strikes Back hatten dieses Problem nicht, weil sie den Startpunkt des Franchises markieren und noch auf freier Wiese die Erzählweise der Geschichten des Universums definieren konnten. Und Return of the Jedi spielt dann schon wieder arg mit Handlungsfetzen aus A New Hope, wenn es darum geht, schon wieder einen Todesstern zu zerstören.

Daher müssen sich Filme des Star-Wars-Franchises ganz natürlich „reimen“, wie sein Schaffer George Lucas das so schön formuliert hat, ob das seine Nachfolger jetzt wollen oder nicht. Star Wars muss sich an seinem eigenen Fan-Service messen lassen, und somit wird es immer Fanatiker und Fundamentalisten geben, die nie zufrieden sind, weil ihnen entweder auffällt, dass ihre Berechenbarkeit ausgenutzt wurde und sie mit der Wiederholung einer bekannten Handlung ins Kino gelockt wurden (The Force Awakens), oder weil es eben doch etwas anderes ist, was sich irgendwie „falsch“ anfühlt (The Last Jedi).

Intertextualität, die Möglichkeit, Referenzen auf andere Werke subtil einfließen zu lassen, bietet große künstlerische Möglichkeiten – sie macht sonst banale Sätze oder Zusammenhänge zu Metaphern für andere Gedanken, die ein kulturelles Erzeugnis dann nicht mehr selbst erklären muss. Auf anderen aufzubauen ist ein zentrales Element unserer Gesellschaft und ermöglicht es erst, eine so reiche Kultur zu entwickeln. Allerdings bringt Intertextualität auch die Versuchung mit sich, aus aus Nostalgie Kapital zu schlagen, und birgt somit bei großen Franchises das Risiko, bei Fans eine gefährliche Anspruchshaltung zu begründen, insbesondere wenn die Referenzen so eng und offensichtlich sind, wie sie das heute scheinbar sein müssen, um zahlende Kundschaft ins Kino zu locken. Gerade Superhelden-Filme verfangen sich dann schnell in einer Spektakel-Spirale und verfallen einer letztendlich beliebigen Gigantomanie.

Das ist dann aber auch nichts, für das man sich entschuldigen muss oder kann, weil es inhärent an dieser Art Franchise hängt. Und daher darf sich jeder beschweren, der das will.1 Franchise sollte Franchise bleiben, sicheres Geld für Studios gegen verschiedene Grade von Fan-Service.

Und wer neue, originelle Geschichten will, sollte mehr alleinstehende Filme produzieren bzw. im Kino anschauen. Da kann dann auch kein Handlungselement irgendjemandes Kindheit ruinieren, wie sich manche im Kontext von Star Wars jetzt beschweren.

Letztendlich hat es Kylo Ren am besten zusammengefasst: „Lass die Vergangenheit sterben. Töte sie, wenn es sein muss. Nur so kannst du werden, wozu du bestimmt bist.“


  1. Solange er sich an die grundlegenden Umgangsformen einer gesitteten Gesellschaft hält. ↩︎


Ebenfalls erschienen im Neologismus 18-01

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